Jacob schob sich durch das Unterholz, sein Atem kam in schnellen Stößen, während Bernies wildes Bellen ihn vorwärts trieb. Der Hund hatte noch nie auf diese Weise die Routine durchbrochen – er war noch nie von der Leine ins dunkle Unbekannte gesprungen. Irgendetwas stimmte nicht, ganz und gar nicht, und die bedrohliche Stille des Waldes verstärkte Jakobs Unbehagen nur noch.
Äste krallten sich in Jacobs Arme, als er sich zu der Lichtung vor ihm durchkämpfte. Dort stand Bernie starr, mit angespanntem Körper und gesenktem Schwanz. Er war jetzt still, sein Blick war auf etwas jenseits der Bäume gerichtet. Ein kalter Schauer lief Jacob über den Rücken, als er vorsichtig einen Schritt näher kam.
Jacobs Augen folgten Bernies Blickrichtung, und sein Herz schlug ihm gegen die Rippen. Gleich hinter der Lichtung schien der Wald dunkler, schwerer, als ob er etwas verbarg, das dort nicht sein sollte. Was Jacob als Nächstes sah, ließ den Boden unter ihm schwanken, das Gewicht der unsichtbaren Gefahr drückte auf ihn ein.
Jacob war ein Mann mittleren Alters und lebte in einer kleinen Hütte am Rande einer Stadt in den Bergen. Obwohl er inmitten des Chaos einer sich ausbreitenden Metropole aufgewachsen war, hatte ihn die ruhige Abgeschiedenheit dieser Kleinstadt vor zehn Jahren hierher gezogen.
Zehn Jahre lang hatte Jacob seinen abgelegenen Zufluchtsort mit Bernie geteilt, dem rauflustigen Hund, den er an dem Tag, als er das Haus kaufte, zitternd unter der Veranda gefunden hatte. Das Band, das sie knüpften, war unzerstörbar, geschmiedet in Stille und Loyalität, eine Kameradschaft, die so unerschütterlich war wie der Wald, der sie umgab.
Jeden Tag verbrachte Jacob seine Stunden damit, den Gymnasiasten der Stadt Mathematik zu unterrichten. Die Rückkehr nach Hause war ein Ritual, das er sehr schätzte – Bernie wartete immer schwanzwedelnd vor der Tür und freute sich auf den Abendspaziergang. Es war eine einfache Freude, erdend und vertraut, ein Ausgleich zu den Anforderungen des Tages.
Ihre Spaziergänge folgten einer vertrauten Route, die sich durch Pfade schlängelte, die von hoch aufragenden Kiefern und sanften, goldenen Lichtflecken umhüllt waren. Während die Welt um sie herum zur Ruhe kam, ließ Jacob seine Gedanken schweifen, wobei der Rhythmus von Bernies Schritten neben ihm eine beruhigende Konstante war. Es war ein ganz normaler Abend, so schien es zumindest.
Jacob stieß die Haustür auf und wurde von Bernies wedelndem Schwanz und eifrigen Augen begrüßt. “Also gut, mein Junge, gehen wir”, sagte er und klippte die Leine an, während Bernie aufgeregt herumtanzte. Der schwache Duft von Kiefernholz wehte durch die Luft, und sie traten in die kühle Umarmung des Abends ein.
Der Weg führte sie am Waldrand entlang, wo Wildblumen in leuchtendem Gelb und Violett den Grasstreifen säumten. Jacob atmete tief ein und genoss den frischen Duft der Kiefern, der sich mit der schwachen Süße der Blüten vermischte.
Bernie trabte voran, sein Gang war zügig und zielstrebig. Hin und wieder hielt er inne, um am Boden zu schnuppern oder die weiche Erde zu betatschen, sein Instinkt leitete ihn. Jacob ließ seine Gedanken schweifen, während seine Schritte im Rhythmus des Knirschens der Blätter unter seinen Füßen waren. Alles fühlte sich so an, wie es sein sollte – friedlich, gewöhnlich, ungestört.
Doch dann erstarrte Bernie. Ein leises Knurren ertönte aus seiner Brust und riss Jacob jäh aus seiner Träumerei. Die Ohren des Hundes waren gespitzt, seine Augen auf den dunklen Waldrand gerichtet. Jacob folgte Bernies Blick und blinzelte in die Schatten. Er sah nichts – nur die schwachen Umrisse von Bäumen, die sich im Wind wiegten.
“Komm schon, Bernie”, murmelte Jacob und zerrte sanft an der Leine, wobei ein Flackern des Unbehagens in seiner Ruhe kribbelte. Doch bevor er sie nach Hause führen konnte, rannte Bernie los. Die Leine wurde Jacob aus den Händen gerissen, als der Hund in den Wald stürmte, und seine plötzliche Wucht ließ Jacob mit klopfendem Herzen zu Boden stürzen.
“Bernie, halt!” Rief Jacob und rappelte sich auf, aber der Hund war bereits wie ein Fleck im dichten Unterholz verschwunden. Die Leine zog sich hinter ihm her und verfing sich in den Ästen, als er tiefer im Wald verschwand.
Jacobs Herz raste. Er stand einen Moment lang wie erstarrt, hin- und hergerissen zwischen dem erneuten Rufen und der plötzlichen Befürchtung, dass das, was Bernies Aufmerksamkeit erregt hatte, etwas sein könnte, dem er nicht begegnen wollte. Jacob zögerte, jeder Instinkt drängte ihn, umzukehren, nach Hause zu gehen und Hilfe zu rufen.
Aber der Gedanke, dass Bernie – der treue Bernie – dort draußen allein war, trieb ihn weiter. Er griff nach einem Stock in der Nähe, um sich zu trösten, und schritt vorsichtig in den Wald. Der friedliche Weg, den sie so oft gegangen waren, fühlte sich jetzt fremd an, die Stille war schwer und wurde nur durch das ferne Bellen von Bernie durchbrochen.
Jacob stürzte sich in den Wald, nur von Bernies entferntem Bellen geleitet. Er drängte sich durch Sträucher und Dickicht, die rauen Äste zerrten an seiner Jacke und kratzten an seinen Armen. Der Wald hier war dichter, als er es je gewagt hatte. Jeder Schritt war vorsichtig, aber seine Entschlossenheit, Bernie zu finden, überwältigte seine Angst.
Das Bellen von Bernie verstummte plötzlich und wurde durch eine unheimliche Stille ersetzt. Die Stille war erdrückend und wurde nur durch das Rascheln der Blätter unter Jacobs Stiefeln unterbrochen. Sein Herz klopfte wie wild, als die Abwesenheit von Bernies Stimme an seinen Nerven zerrte. Er beschleunigte seinen Schritt und folgte den schwachen Pfotenabdrücken auf dem weichen Boden.
Als er eine kleine Lichtung erreichte, blieb Jacob stehen. Dort, in der Mitte, stand Bernie, steif und unbeweglich, den Blick auf etwas vor ihm gerichtet. Die Rute des Hundes war gesenkt, seine Körpersprache aufmerksam, aber still. Jacob stockte der Atem, als er näher trat und mit seinen Augen Bernies Blickrichtung verfolgte.
Und dann sah er es. Einen Bären. Massiv und imposant, sein dunkles Fell kräuselte sich, als er sich leicht bewegte und zu ihnen zurückstarrte. Jacob erstarrte, seine Gedanken rasten. Er hatte über Bären gelesen, wie gefährlich und unberechenbar sie sein konnten, aber nichts davon bereitete ihn auf die rohe Angst vor, die ihn jetzt erfasste.
Bernie bewegte sich nicht, sein Körper war angespannt und unerschütterlich. Jakob wollte ihn packen, fliehen, aber seine Beine fühlten sich wie Blei an. Der Bär machte einen Schritt nach vorne, seine schiere Größe ließ den Boden erzittern. Panik stieg in Jacob auf, als er instinktiv an Bernies Leine zog und sich zwischen den Hund und die Bestie stellte.
Er stand da, mit klopfendem Herzen, und hielt Bernies Leine fest umklammert. Er wusste, dass es zwecklos war, wegzulaufen – Bären waren schnell, schneller als er es jemals sein könnte. Er machte sich auf das Schlimmste gefasst, der Urinstinkt, Bernie zu beschützen, überwältigte seine Angst.
Der Bär bewegte sich wieder, dieses Mal näher. Jacob ballte die Fäuste, jeder Muskel in seinem Körper war vor Angst angespannt. Doch dann tat der Bär etwas, womit Jacob nicht gerechnet hatte. Er blieb kurz vor ihm stehen und streckte seine massive Pfote aus, um sein Bein zu berühren – vorsichtig, fast zaghaft.
Jakobs Atem ging stoßweise, Verwirrung mischte sich mit seiner Angst. Die Berührung des Bären war nicht aggressiv, sie war vorsichtig, fast absichtlich. Er stand wie erstarrt, unsicher, ob er zurückweichen oder stillhalten sollte. Auch Bernie schien die Seltsamkeit der Situation zu spüren und blieb ruhig, aber wachsam.
Der Bär senkte seine Pfote und sein Blick traf Jakobs. Da war etwas in seinen Augen – etwas, das keine wilde Wut oder Aggression war. Jacobs Angst wich einem Aufflackern von Neugier. Er blieb wie angewurzelt stehen, seine Instinkte schrien danach zu fliehen, aber sein Verstand war nicht bereit, den zerbrechlichen Moment zu zerstören.
Der Wald, der vorher so still war, schien den Atem anzuhalten. Jacob warf einen Blick auf Bernie, der an seiner Seite stand und jetzt leicht mit dem Schwanz wedelte. Was auch immer diese Begegnung war, es war nicht das, was er erwartet hatte. Der Bär, der ihm unendlich nahe war, drehte leicht den Kopf, als ob er auf etwas von ihm warten würde.
Diese unerwartete Geste fühlte sich an wie eine stumme Botschaft, die die Artengrenze überschritt. Die Berührung des Bären war sanft, als wolle er Jacob etwas Tiefgründiges mitteilen, ohne ein einziges Wort zu sagen. Das sanfte Verhalten des Bären stand im Widerspruch zu den Geschichten über die Wildheit, die Jacob gehört hatte.
Der Bär drehte seinen Kopf sanft in Richtung Wald und schaute Jacob wieder an, als wolle er ihm etwas mitteilen. Jakob stand wie erstarrt und verstand nicht, was diese Geste zu bedeuten hatte. Der Bär schlenderte ein paar Schritte weiter, blieb dann stehen und drehte seinen Kopf, um ihn wieder anzusehen.
Es schien fast so, als wolle der Bär ihn auffordern, ihm zu folgen. Bei jeder Pause wartete er geduldig, sein Blick war ruhig und erwartungsvoll, als hätte er ein unausgesprochenes Ziel oder einen Weg im Sinn, von dem er hoffte, dass er ihn teilen würde.
Die Augen des Bären fixierten Jacob, und sein Herz schlug wie wild vor Angst. Er stand einer Kreatur gegenüber, die sein Leben in Sekundenschnelle beenden konnte. Jeder Instinkt schrie ihn an, wegzulaufen, Bernie zu packen und zurück in die Sicherheit seiner Hütte zu flüchten.
Aber Jacob konnte sich nicht bewegen. Sein Körper war wie erstarrt, gefangen zwischen dem Urdrang zu fliehen und der bizarren Anziehungskraft des Bärenblicks. Er hielt Bernies Leine fest umklammert, sein Atem ging flach, und er versuchte, die aufsteigende Panik zu überwinden. Und dann sah er es – das Bein des Bären.
Eine tiefe Wunde zierte das Hinterbein des Bären, die Ränder waren wund und bluteten. Jakobs Angst verwandelte sich für einen Moment in etwas Komplexeres: Mitleid. Der Bär verfolgte ihn nicht – er hinkte, war verwundet und verletzlich. Schnitte säumten sein Maul, als hätte er einen Kampf um sein Leben hinter sich.
Jakobs Gedanken kollidierten – sollte er jetzt weglaufen, während der Bär zögerte, oder suchte er wirklich seine Hilfe? Es ergab keinen Sinn, nichts von alledem. Aber die Traurigkeit in den Augen des Bären sprach lauter als die Logik und brachte den Schrecken so weit zur Ruhe, dass Jacob handeln konnte.
Zitternd erhob er sich vom Boden und griff nach seinem Telefon. Seine Finger zitterten, als er in aller Eile eine Nachricht an einen Kollegen tippte: “Etwas Seltsames. Ein verwundeter Bär hat mich tiefer in den Wald geführt. Wenn ich mich nicht bald melde, schickt Hilfe.” Er drückte auf Senden und wandte sich an Bernie.
“Geh, Bernie”, sagte Jacob und kniete sich hin, um die ängstlichen Augen des Hundes zu sehen. “Geh zur Polizeiwache. Holen Sie Hilfe. Sie werden wissen, dass ich es bin, wenn du auftauchst.” Seine Stimme knackte, aber er zwang sich zu einem ruhigen Ton. Bernie zögerte und winselte leise, aber Jacob deutete fest auf den Weg.
Bernie bellte einmal, dann sprintete er in den Schatten, seine Loyalität überwiegt sein Zögern. Jacob sah zu, bis der Hund verschwunden war, und seine Brust zog sich zusammen bei dem Gedanken, Bernie allein loszuschicken. Aber jetzt waren es nur noch er und der Bär.
Der Bär machte ein paar humpelnde Schritte, hielt inne und schaute Jacob mit einer Dringlichkeit an, die man nicht ignorieren konnte. Seine Bewegungen waren langsam, bedächtig und von Schmerz erfüllt. Jedem Überlebensinstinkt zum Trotz folgte Jacob ihm. Sein Puls rauschte in seinen Ohren, als er tiefer in den Wald hineinging.
Äste verhedderten sich in seiner Kleidung, und der Boden wurde unter seinen Stiefeln uneben. Das schwindende Licht färbte alles in Grautönen, und die hoch aufragenden Bäume bildeten ein bedrohliches Blätterdach über ihm. Der Bär ging weiter, sein mühsamer Gang und seine gelegentlichen Pausen verrieten seine Erschöpfung.
Jacob konnte die Absurdität seiner Situation nicht ignorieren – er folgte einem wilden Bären, tief in den Wald hinein, und ließ sich nur von seinen hinkenden Schritten und flehenden Blicken leiten. Jeder logische Gedanke sagte ihm, er solle umkehren, aber er steckte bereits zu tief drin. Umkehren schien jetzt unmöglich.
Der Bär wurde langsamer, als sie sich einer Lichtung näherten, seine Bewegungen waren bedächtig, aber angestrengt. Jacob blieb ein paar Schritte hinter ihnen, seine Augen huschten nervös durch den schattigen Wald. Dann blieb der Bär abrupt stehen, sein massiver Kopf drehte sich zu etwas, das hinter einem dicken, alten Baum verborgen war. Sein Blick war scharf und unnachgiebig.
Hin- und hergerissen zwischen dem Versteckenbleiben und dem Entdecken des Unbekannten, kam er näher, getrieben von der Verlockung, Zeuge von etwas Außergewöhnlichem zu werden. Jakobs Kopf schwirrte vor Fragen. Warum hatte der Bär sie genau an diesen Ort in der Wildnis geführt?
Zu Jakobs Überraschung fand er auf der Lichtung einen Lagerplatz. Jemand war vor kurzem dort gewesen – es gab ein Lagerfeuer und ein Zelt, was auf kürzliche menschliche Aktivitäten hindeutete. Diese Entdeckung war sowohl eine Erleichterung als auch ein Rätsel, das das Rätsel, wer hier so tief im Wald gewesen war und warum, noch größer werden ließ.
Als er den verlassenen Lagerplatz untersuchte, stellte Jacob fest, dass das Zelt in aller Eile offen gelassen worden war. Verstreute Ausrüstung und kein Zeichen des Campers ließen ihn sich fragen, warum sie so plötzlich verschwunden waren. Seine Neugierde wurde noch größer, als er sah, dass teure Ausrüstung und Kameras auf den Boden geworfen wurden.
Der Campingplatz lag in Unordnung, Kleidung und Vorräte waren verstreut, als hätten sie ihn in aller Eile verlassen. Jacob starrte auf das Chaos, jeder Gegenstand deutete auf eine Geschichte hin, die er nicht zusammensetzen konnte. Während Jacob damit beschäftigt war, herauszufinden, was auf dem Lagerplatz passiert sein könnte, hörte er plötzlich ein leises Grunzen hinter sich.
Der Bär brummte und zerkratzte den Boden in der Nähe des Zeltes. Jakob beschloss, hinüberzugehen und nachzusehen, was den Bären so interessiert hatte. Als er einen Blick auf den Boden warf, stieß seine Hand auf etwas Ungewöhnliches – ein altes, abgenutztes Tagebuch, das unter Tannennadeln vergraben war.
Auf dem Ledereinband war ein Bär eingeprägt, der auf die Geheimnisse im Inneren hinwies. Es fühlte sich fehl am Platz an, war aber dennoch faszinierend und wichtig und drängte ihn, den Inhalt zu entschlüsseln. Als er das Tagebuch öffnete, wurde er von einer lebendigen Handschrift begrüßt, die die Reise eines Reisenden durch den Wald beschrieb.
Der Schreiber war fasziniert von den seltsamen Geräuschen des dunklen Waldes, und jedes Geräusch rührte etwas tief in ihm an. Jacob bemerkte, dass sich die Skizzen des Tagebuchs verändert hatten und sich nun auf Bären konzentrierten – aber es waren keine normalen Zeichnungen.
Die Tagebucheinträge wurden immer detaillierter und beschrieben das seltsame Verhalten der Bären und ihre beunruhigende Anwesenheit im Wald. Die Faszination des Schriftstellers für diese Tiere wurde immer düsterer, seine Worte waren von einer Mischung aus Verwunderung und Angst erfüllt.
Im weiteren Verlauf der Geschichte war der Schriftsteller davon besessen, ein legendäres weißes Bärenjunges zu finden, das in den dunkelsten Teilen des Waldes leben sollte. Was als Entdeckungsreise begann, wurde zu einer gefährlichen Besessenheit, und seine Aufregung verwandelte sich in eine unerbittliche Jagd.
Der letzte Tagebucheintrag strotzte nur so vor fieberhafter Aufregung und beschrieb seine erste Sichtung des mythischen Jungtiers. Sein Eintrag nannte es “den Mythos in Fleisch und Blut”, und die Handschrift schien vor Erregung zu vibrieren. Dieser Moment markierte einen Wendepunkt in seinem großen Abenteuer.
Im weiteren Verlauf der Eintragungen beschrieb der Reisende seine akribischen Pläne, das Jungtier mit Ködern und Fallen zu fangen. Netze, Kameras und Beruhigungsmittel waren bereits vorhanden und offenbarten eine sorgfältig ausgearbeitete Strategie. Sein Streben nach persönlichem Ruhm überschattete jede echte Wertschätzung für die Kreatur oder ihren Lebensraum.
Jakobs Herz schlug schneller, als er die Seiten des Tagebuchs umblätterte. Zeichnungen von Käfigen und Notizen zu Fallen zeigten den obsessiven Drang des Reisenden, das Jungtier um jeden Preis zu fangen. Das Tagebuch enthüllte den beunruhigenden Plan des Reisenden, der keine Rücksicht auf die Sicherheit des Welpen nahm.
Jacob fühlte eine Mischung aus Abscheu und Entschlossenheit. Als er das Tagebuch in die Hand nahm, wusste er, dass er handeln musste, um diese gefährliche Tat zu verhindern. Jacob blätterte das Tagebuch eilig durch, seine Augen suchten in den Karten und Kritzeleien nach Hinweisen auf die Fallen oder den letzten bekannten Aufenthaltsort des Welpen.
Jacobs Finger erstarrten auf einer Seite, auf der ein riesiger Felsen abgebildet war, dessen zerklüftete Kanten mit akribischer Detailgenauigkeit skizziert waren. Die Notizen des Reisenden daneben beschrieben den Ort als das Herzstück seiner Fallen – ein Ort, an dem Geruchsspuren das mythische weiße Bärenjunge in eine Fallgrube locken würden.
Jacob warf das Tagebuch frustriert zu Boden, sein Atem ging unregelmäßig, während er den Wald um sich herum absuchte. Auf der Lichtung war nichts zu sehen, was einer Fährte oder einem Pfad ähnelte. Es war bereits dunkel geworden, und Verzweiflung machte sich in ihm breit. Wenn die Fallen aktiv waren, hing das Leben des Jungen an einem seidenen Faden.
Als er sich wieder dem Bären zuwandte, verspürte Jacob eine seltsame Welle der Hoffnung. “Du musst mir helfen”, sagte er laut, und seine Stimme zitterte. Er gestikulierte zu den umliegenden Bäumen. “Kannst du es erschnüffeln? Kannst du mich zu dem Felsen führen?” Es war absurd, ein wildes Tier anzuflehen, aber er hatte keine bessere Idee.
Zu seinem Erstaunen bewegte sich der Bär. Er senkte seine Nase auf den Boden und schnüffelte zielstrebig an der Erde und den Bäumen in der Nähe. Jacobs Herz klopfte, als der Bär zu laufen begann, einer unsichtbaren Spur folgend, die Jacob nicht erkennen konnte. Ab und zu hielt der Bär inne und schnupperte die Luft, bevor er einen schmalen Pfad entlangging.
Jacob schnappte sich schnell einen dicken Ast vom Boden und hielt ihn fest umklammert. Es war nicht viel, aber so fühlte er sich etwas weniger wehrlos. Er spannte sich an, jeder Schritt war schwer und unsicher. Der Wald wurde um sie herum immer dunkler, die Luft war erfüllt von dem Geruch feuchter Erde und Kiefern.
Der Pfad war schmal und verwinkelt, Äste krallten sich in Jakobs Arme, als er versuchte, mit dem Bären Schritt zu halten. Das Geräusch von knackenden Zweigen und knirschenden Blättern erfüllte die Stille und verstärkte sein Unbehagen. Er umklammerte seine behelfsmäßige Waffe fester, seine Knöchel wurden weiß.
Minuten dehnten sich zu gefühlten Stunden aus, während der Bär ihn tiefer in den Wald führte. Plötzlich lichteten sich die Bäume, und Jacob entdeckte die unverwechselbare Silhouette des riesigen Felsens. Er ragte vor ihm auf, seine zerklüftete Oberfläche war teilweise vom dichten Blattwerk verdeckt. Sein Atem blieb ihm im Hals stecken.
Der Bär blieb am Rande der Lichtung stehen und schnupperte erneut. Jacob zögerte und suchte die Umgebung nach Anzeichen für Fallen ab. Seine Augen huschten über den Boden, auf der Suche nach einer Störung in der Erde. Der Gedanke, dass das weiße Bärenjunge in Gefahr war, trieb ihn vorwärts.
Der schwache Geruch von etwas Scharfem und Metallischem stieg ihm in die Nase – ein Duftköder, erkannte er. Die Fallen waren nah. Jakobs Puls beschleunigte sich, Adrenalin flutete durch seine Adern, als er näher an den Felsen herankroch. Jeder Instinkt sagte ihm, dass die Gefahr nahe war, aber er konnte jetzt nicht aufhören.
Jacob näherte sich dem riesigen Felsen, sein Griff um den Ast wurde fester, während er vor jedem Schritt vorsichtig den Boden abtastete. Er tastete die Umgebung ab, seine Augen suchten den Boden nach Anzeichen von Fallen ab. Jeder Schritt war vorsichtig und überlegt, während er darum kämpfte, seine Atmung ruhig zu halten.
Als er den Felsen erreichte, spähte Jacob hinunter und spürte, wie sich sein Magen umdrehte. Ein weißes Bärenjunges war in einem Käfig am Boden einer Falle gefangen, sein winziger Körper war in sich zusammengerollt. Das Jungtier wimmerte leise, seine Bewegungen waren schwach, sein schneeweißes Fell war mit Schmutz und Blut befleckt.
Der Anblick wurde immer schlimmer. Ganz in der Nähe waren weitere Bären in Fallen gefangen – einige in Stahlklauen, andere in Käfigen eingesperrt. Ihre Verletzungen waren sichtbar, ihr Kampf vergeblich. Jacobs Herz schlug heftig, eine Welle der Übelkeit überkam ihn, als die Grausamkeit der Szene ihn wie ein Schlag traf.
Er sank auf die Knie und griff nach der nächstgelegenen Falle, die er mit zitternden Händen aufzubrechen versuchte. Die Mechanismen waren schwer und fest verankert, so konstruiert, dass sie selbst der Kraft dieser mächtigen Tiere widerstanden. Seine Frustration wuchs, als sich seine Bemühungen als vergeblich erwiesen.
In diesem Moment durchbrach ein Geräusch die Stille – ein entferntes Stimmengemurmel und das Knirschen von Stiefeln auf Blättern. Jacob erstarrte, sein Kopf schnellte in Richtung des Geräusches. Der Reisende. Er kam, und er war nicht allein. Die Dringlichkeit zu handeln kämpfte mit einer lähmenden Angst.
Jacob duckte sich schnell in ein Gebüsch, der Boden unter ihm war schlammig. Sein Fuß rutschte aus, und er fiel mit einem lauten Platschen, das die Stille durchbrach. Das Geräusch hallte wie ein Leuchtfeuer, und als er aufblickte, drehte sich der Kopf des Reisenden scharf in seine Richtung.
Die Augen des Reisenden waren auf Jacob gerichtet, und die Veränderung in seinem Gesichtsausdruck war erschreckend. Überraschung flackerte für einen kurzen Moment auf, bevor sie von etwas Dunklerem abgelöst wurde – einer beunruhigenden Berechnung, als würde er genau herausfinden, warum Jacob hier war. Misstrauen wich kalter Absicht.
Jacobs Herz klopfte, als der Reisende seinem Team ein Zeichen gab. Sie bewegten sich mit Präzision vorwärts, ihre Waffen auf Jacob gerichtet. Die Stimme des Reisenden war leise und befehlend, sein Tonfall von Bedrohung durchzogen. “Sieh an, sieh an. Sieht aus, als hätten wir einen unerwarteten Gast.”
Die Angst, die Jacob erfasste, war anders als alles, was er je zuvor gefühlt hatte. Sein Körper zitterte, sein Puls rauschte in seinen Ohren. Das scharfe Schimmern der Waffen war nicht zu übersehen. Jeder Überlebensinstinkt schrie ihn an, wegzulaufen, aber er war wie angewurzelt, gelähmt vor Angst.
Der Reisende machte einen weiteren Schritt nach vorn, sein Blick war kalt und unerbittlich. “Du bist nicht zufällig hier”, sagte er, und seine Stimme durchbrach die angespannte Stille. “Also sag mir – was genau wolltest du erreichen?” Jacobs Atem stockte, als er versuchte, Worte zu bilden, und sein Verstand suchte nach einem Ausweg.
Jacob taumelte auf die Füße und umklammerte den dicken Ast wie eine Rettungsleine. Seine Stimme überschlug sich vor lauter Emotionen, als er schrie: “Ihr könnt diesen Tieren nicht weiter wehtun! Das haben sie nicht verdient!” Er hob den Ast in Richtung des Reisenden, seine Hände zitterten, aber seine Entschlossenheit war unerschüttert.
Der Reisende stieß ein grausames Lachen aus, ein spöttisches Geräusch, das auf der Lichtung widerhallte. “Damit willst du mich aufhalten?”, höhnte er und deutete auf den Ast. “Erbärmlich. Du hast gerade dein eigenes Todesurteil unterschrieben, Narr. Denkst du, du kommst hier lebend raus?”
Die Worte des Reisenden jagten Jacob einen Schauer über den Rücken, aber er ließ den Ast nicht sinken. Er blieb standhaft, sein Herz pochte, das Gewicht der Situation erdrückte ihn. Der Reisende richtete seine Waffe auf Jacob, sein Team rückte näher, ihre Absicht war so klar wie der kalte Stahl in ihren Händen.
Doch bevor der Reisende schießen konnte, brach der Wald in Lärm aus – Sirenen schrillten, Lichter blitzten durch die Bäume, und Bernies verzweifeltes Bellen hallte wie ein Kampfschrei wider. Die Gelassenheit des Reisenden zerbrach, und seine Augen weiteten sich, als das Geräusch der sich nähernden Polizeifahrzeuge die Lichtung erfüllte.
“Polizei!”, rief eine Stimme und durchbrach die Spannung. Chaos brach aus, als der Reisende und sein Team in Panik herumwirbelten. Sie versuchten zu fliehen, ließen ihre Fallen und ihre Ausrüstung zurück, aber es war zu spät. Beamte strömten auf die Lichtung, ihre Befehle waren schnell und bestimmt.
Innerhalb weniger Augenblicke war der Reisende zu Boden gerungen, seine Waffe klapperte, während er Flüche in die Nacht brüllte. Seinem Team erging es nicht besser, ihre Flucht wurde durch das schnelle Handeln der Waldpatrouille vereitelt. Erleichterung machte sich in Jacob breit, als die Gefahr endlich gebannt war.
Bernie sprintete auf Jacob zu, sein Schwanz wedelte wie wild. Er sprang hoch und leckte Jacob das Gesicht, als wollte er sagen: “Du bist jetzt in Sicherheit Jacob sank auf die Knie, schlang seine Arme um den Hund und die überwältigende Erleichterung trieb ihm die Tränen in die Augen. “Guter Junge”, flüsterte er, und seine Stimme brach.
Während die Beamten und die Forstpolizei damit begannen, die Fallen abzubauen, wurden die verletzten Bären vorsichtig aus ihren Käfigen und Schlingen befreit. Das weiße Bärenjunge wurde von einem Ranger herausgetragen, sein kleiner Körper war zerbrechlich, aber lebendig. In der Nähe humpelte die verletzte Bärenmutter ein letztes Mal auf Jacob zu.
Die Bärin hielt inne, ihre massige Gestalt senkte sich leicht, als ihre Augen die von Jacob trafen. In diesem Moment schwor Jacob, dass er Dankbarkeit sah – etwas Tiefgründiges und Wortloses – bevor sie sich umdrehte und zurückhumpelte, um sich ihrem Jungen und ihrer Familie in den Bäumen vor ihr anzuschließen. Jacob sah zu, und seine Brust zog sich vor Rührung zusammen.
Am Morgen hatte sich die Nachricht bereits verbreitet. Jakobs Tapferkeit, Bernies Loyalität und die Rettung der Bären wurden zum Stadtgespräch. Als er mit Bernie durch die belebten Straßen ging, nannte ihn ein Passant einen Helden. Jacob lächelte nur und antwortete: “Ich bin nur dem Beispiel eines guten Freundes gefolgt”